Unfallrisiken im Straßenverkehr bei Jugendlichen: Präventionsprogramm zeigt Wirkung
Auf dem Heimweg schnell eine Textnachricht tippen oder während der Fahrt ein „Selfie“ machen: Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage bedienen mehr als 40 Prozent der 18- bis 29-jährigen Autofahrer während der Fahrt ihr Mobiltelefon. Damit trägt das Handy eine entscheidende Mitschuld daran, dass junge Erwachsene das mit Abstand höchste Unfallrisiko im Straßenverkehr haben. Um riskantes Verhalten hinterm Steuer zu vermeiden, haben Unfallchirurgen das Präventionsprogramm P.A.R.T.Y. ins Leben gerufen, das sich bereits an Schüler im Alter von 15 bis 18 Jahren wendet. Auf einer Pressekonferenz des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) am 30. Oktober 2014 in Berlin informieren Experten über die Erfolge des Programms und fordern eine bundesweite Teilnahme von Unfallkliniken.Neben dem Smartphone erhöhen vor allem Alkoholkonsum und rasantes Fahren das Unfallrisiko bei Jugendlichen. Jeder fünfte 18- bis 24-Jährige, der in einen Unfall verwickelt war, hielt sich nicht an die Geschwindigkeit. „Als Unfallchirurgen erleben wir täglich, wie junge Menschen durch Unachtsamkeit oder Selbstüberschätzung ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel setzen“, bedauert Professor Dr. med. Bertil Bouillon, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Laut dem Statistischen Bundesamt verunglückten 2013 mehr als 65 000 junge Männer und Frauen zwischen 18 und 24 bei Verkehrsunfällen. Deshalb sei es wichtig, schon bei Schülerinnen und Schülern das Bewusstsein für Gefahren im Straßenverkehr zu schärfen.
Hier setzt das Präventionsprogramm P.A.R.T.Y. (Prävention von durch Alkohol und risikoreichem Verhalten verursachte Traumata bei Jugendlichen) an, indem es Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren über das Risikoverhalten und seine Folgen aufklärt. Am sogenannten P.A.R.T.Y.-Tag verbringen die Schüler einen ganzen Tag in einer Unfallklinik und erleben dabei, welche Stationen ein schwerverletzter Patient durchläuft. Die Teilnehmer besuchen einen Rettungswagen, den Schockraum, Intensivstation und Physiotherapie und kommen dabei mit Schwerverletzten in Kontakt, die über ihr Schicksal berichten. „Ziel ist es, Jugendliche durch persönliche Erfahrungen in die Lage zu versetzen, in kritischen Situationen kluge Entscheidungen zu treffen“, erklärt Bouillon im Vorfeld des DKOU 2014, der von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädischen Chirurgie (DGOOC) sowie dem Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) ausgerichtet wird.
Das aus Kanada stammende P.A.R.T.Y.-Programm startete 2011 in Köln-Merheim an der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttraumatologie. Seitdem beteiligen sich 15 Kliniken aus ganz Deutschland an dem Präventionsprogramm für Schulklassen – mit Erfolg: „Bis heute haben wir 55 Programme an 10 Standorten durchgeführt. Im Durchschnitt nahmen 22 Schüler pro Programm teil, folglich nahezu 1.300 Jugendliche“, sagt DKOU-Kongresspräsident Bouillon. Auch die Reaktionen der Schüler zeigen, dass der Besuch der Unfallstationen einen prägenden Eindruck hinterlässt: „Viele sind schockiert, wenn sie zum ersten Mal die Intensivstation betreten oder die Verletzungen der Unfallopfer sehen“, berichtet der Direktor der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie Köln-Merheim. Damit leistet die DGU einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung angehender Autofahrer und zur Prävention von Unfällen. Auf der Kongress-Pressekonferenz anlässlich des DKOU 2014 in Berlin stellen die Fachgesellschaften erste Erfolge des Präventionsprogramms vor und fordern zudem: „Jede Klinik, die Erfahrungen in der Versorgung Schwerverletzter hat, kann und sollte an diesem Programm teilnehmen.“ Interessierte erhalten von der DGU alle Materialien zur Aufklärungsarbeit.
Über das P.A.R.T.Y.-Programm:
Gemeinsam mit der Sektion Prävention der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) hat die AG „Prävention von Verletzungen“ der DGU dieses Programm in Deutschland etabliert. Es ist ein Beitrag der deutschen Unfallchirurgen zur „Decade of Action for Road Safety 2011-2020“ der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation WHO. AG und Sektion beschäftigen sich seit vielen Jahren schwerpunktmäßig und interdisziplinär mit dem Komplex Verkehrsunfall. Dies geschieht in enger Kooperation mit Partnern aus den universitären Unfallforschungen (z. B. in Hannover, Greifswald, Regensburg, München), mit Verbänden (z. B. mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat, dem ADAC und der Bundesarbeitsgemeinschaft „Mehr Sicherheit für Kinder“) und der Industrie (z. B. BMW, Continental).
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V., Berlin, 14.10.2014