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Die Geburt von BTX A

1946 wurde Botulinumtoxin A erstmals in reiner Form hergestellt. Damit konnten Forscher das Gift wissenschaftlich studieren. Bald erkannte man, dass sich mit ihm gezielt Muskelfasern blockieren und übersteigerte Aktivitäten von Muskeln dämpfen lassen. Die Möglichkeiten einer medizinischen Anwendung leuchteten erstmals auf.

Seit den sechziger Jahren erforschte der amerikanische Augenarzt Dr. Alan Scott den Stoff. Er suchte nach neuen Heilweisen für das Schielen, dessen Ursache eine unkoordinierte Aktivität einzelner Augenmuskeln ist. Als er das Gift in die Augenmuskeln von schielenden Affen einspritzte, konnte er die Krankheit vorübergehend heilen. So wurde Scott zum Vater der Botulinumtherapie. Über 20 Jahre suchten er und sein Kollege Dr. Edward I. Schantz nach Wegen, dies medizinisch zu nutzen. 1979 erhielt eine von ihnen gegründete Firma die Erlaubnis der amerikanischen Gesundheitsbehörden, Botulinumtoxin A an freiwilligen Versuchspersonen zu erproben. 1980 wurde das bis dahin so gefährliche Gift erstmals absichtlich einem Menschen als Medikament injiziert.

Seit 1988 wurde es von der Firma Allergan in größerem Stil bei verschiedenen Muskel- und Nervenkrankheiten erprobt, denn man hatte den ungeheuren potenziellen Nutzen erkannt. 1989 schließlich wurde in Amerika das erste Medikament zugelassen, das Botulinumtoxin A enthielt. Es hieß damals Oculinum, wurde später aber in BOTOX® umbenannt. Zugelassen war es zur Behandlung von Schielen, krankhaften Lidkrämpfen und anderen Muskelerkrankungen. 1991 wurde in Großbritannien das zweite Botulinum-Medikament unter dem Namen Dysport® eingeführt. Seit 1993 sind beide auch in Deutschland und dem übrigen Europa erhältlich.

Frage: Wie kann ein Arzt die Anwendung eines Nervengiftes als Medikament moralisch rechtfertigen?

Dr. Bresser: Menschen wenden sich mit konkreten Problemen an ihren Arzt. Sie wünschen meist eine Ursachenklärung und natürlich, wenn möglich, eine Behebung des Problems. Sie erwarten weder moralisierende Belehrungen noch unkritische Schönfärberei, sondern individuelle, kompetente Beratung. Der mündige Patient muss die Entscheidung über den Einsatz von heilenden Medikamenten oder von kosmetischen Behandlungen selbstständig treffen dürfen. Aus moralischer Sicht spielt es keine Rolle, ob ein Nervengift oder ein Pflanzenheilmittel zum Erzielen eines bestimmten medizinischen Effekts eingesetzt wird. Buchstäblich jedes Medikament und jedes Heilmittel kann bei der falschen Anwendung oder bei Überdosierung großen Schaden anrichten. Moralisch zu bewerten ist nur die Frage, ob bei der Entscheidungsfindung und Durchführung einer medizinischen Maßnahme seriös und verantwortungsbewusst vorgegangen wird. Entscheidend ist die vollständige Aufklärung des Patienten, eine vernünftige Risikoabwägung und zuletzt die kompetente Durchführung der gewählten Therapie.