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Wie giftig ist das Gift?

Hinweise und Tipps

Sie haben nun einiges über Botulinumtoxin erfahren. Sie wissen, bei welchen Problemen der Wirkstoff hilft und wie die Behandlung aussieht. Trotzdem haben Sie noch Bedenken? Oder fragen sich, wie Sie den richtigen Arzt finden sollen? Dieses Kapitel hilft Ihnen weiter.

Über Ängste und Nebenwirkungen

„Wer kann nur so verrückt sein, sich freiwillig ein hoch wirksames Nervengift einspritzen zu lassen?“ Das ist die Meinung vieler Menschen, die erstmals von Botulinumtoxin hören. In manchen Internet-Chatrooms werden Horrorgeschichten über die Gefährlichkeit von Botox-Anwendungen verbreitet. Wenn Sie als interessierte Patientin dagegen einen Arzt fragen, der das Medikament verwendet, so hören Sie meist völlig Gegenteiliges: „Ich hatte noch nie Probleme“, „Meine Patienten sind begeistert“, „Richtig durchgeführt, gibt es keine Nebenwirkungen.“ Wie steht es wirklich um die Giftigkeit und Gefährlichkeit von Botulinumtoxin in der Hand des Arztes? Wie giftig ist das Gift? Botulinumtoxin ist ohne Zweifel ein sehr starkes Gift und gleichzeitig (wie viele Gifte) ein hoch wirksames Medikament. Wie viele andere Medikamente kann Botulinumtoxin in höheren Dosierungen gefährlich wirken – dies gilt zum Beispiel auch für Aspirin. In der richtigen Dosis am richtigen Ort heilt es dagegen.

Frage: Wie kann es sein, dass einer der giftigsten Stoffe der Welt angeblich ungefährlich sein soll?

Dr. Bresser: Die Gefährlichkeit eines Medikaments hängt nur teilweise mit der eigentlichen Giftigkeit des Stoffs zusammen. Der Wirkstoff von Valium beispielsweise ist relativ ungiftig; trotzdem werden vergleichbare Medikamente sehr häufig zur Selbsttötung verwendet. Botulinumtoxin ist an sich sehr giftig; trotzdem ist es fast unmöglich, sich damit umzubringen. Es ist auch erheblich einfacher, sich sehr schnell mit dem – schwach giftigen – Alkohol umzubringen als mit Botulinumtoxin. Das konkrete Risiko hängt viel stärker von der Dosis und der Art der Anwendung als von der chemischen Giftigkeit ab.


Werden lebenswichtige Muskeln und Nerven mit einem Gift überschwemmt, so sterben wir. Die tödliche Dosis von Botulinumtoxin A liegt bei 0,001 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht. Dies ist eine wirklich winzige Menge – aber immer noch sehr viel mehr als das, was in den Botulinum-Ampullen enthalten ist. Für eine tödliche Vergiftung würden etwa 30 bis 40 der BOTOX®- oder Dysport ®-Ampullen benötigt. Leider kann die Giftmenge nicht einfach in Milligramm angegeben werden, wie wir es von anderen Medikamenten kennen. Die Hersteller definieren die Giftwirkung unterschiedlich, so dass in der einen Ampulle 100 Einheiten enthalten sind, in der Ampulle eines anderen Herstellers aber 500 Einheiten – und beide Mengen sind ungefähr gleich wirksam. Das Gift ist ungeheuer stark verdünnt, denn das Ziel der medizinischen Anwendung ist die Schwächung einer übermäßigen Muskelspannung, nicht die völlige Muskelblockade.

Wissenschaftler sprechen dabei von einem großen THERAPEUTISCHEN FENSTER bei der Anwendung. Das bedeutet, dass die medizinisch wirksame Menge eines Medikaments sehr viel kleiner ist als die gefährliche Menge. Das bedeutet auch, dass der Arzt schon besonders grob fahrlässig handeln müsste, um das Medikament gefährlich falsch zu dosieren. Das therapeutische Fenster einer Insulinspritze ist beispielsweise sehr klein. Das bedeutet Folgendes: Wenn ein zuckerkranker Mensch sich versehentlich doppelt so viel Insulin spritzt wie nötig, kann er sehr leicht sterben.

Wenn ein Arzt dagegen doppelt so viel Botulinumtoxin spritzt wie nötig, so sind Sie als Patient keinesfalls lebensbedrohlich gefährdet – es müsste schon die 30- bis 40-fache Dosis sein. Es ist technisch nahezu ausgeschlossen, einem Menschen diese Menge des Medikaments einzuspritzen. Der hohe Preis von Botulinumtoxin trägt natürlich ebenfalls dazu bei, dass eine versehentliche Überdosierung nahezu ausgeschlossen ist. Auch die Statistik belegt die Sicherheit: Es gibt trotz millionenfacher Anwendung keine Berichte über tödliche Vergiftungen.

Jahrzehntelang geprüft

Doch lassen sich diese beruhigenden Worte auch wissenschaftlich belegen? Zuerst sollten wir nicht vergessen, dass Botulinumtoxin-Zubereitungen in Dutzenden von Ländern als Medikament von den staatlichen Gesundheitsbehörden erlaubt worden sind. Bevor ein Medikament in die Apotheken kommt, hat der Wirkstoff eine jahre-, oft jahrzehntelange Prüfphase durchlaufen. Wenn es in Apotheken verkauft wird, sind die Ärzte verpflichtet, Nebenwirkungen und Probleme den Behörden zu melden. Botulinu

mtoxin ist ein sehr häufig angewendetes Medikament. In jedem Jahr werden weltweit mehrere Millionen Anwendungen durchgeführt. Gefährliche Vergiftungen durch medizinische Behandlungen sind bisher trotzdem nicht bekannt geworden. Insgesamt existieren über 1.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen und Studien über BTX A; es handelt sich um ein sehr gründlich dokumentiertes und untersuchtes Produkt. Langzeituntersuchungen über die Anwendung bei Nervenkrankheiten liegen über mehr als zehn Jahre vor, Einzelfallanalysen über 20 Jahre.

Zur Faltenreduktion und Schwitzbehandlung existieren seit 1994 Studien hoher wissenschaftlicher Zuverlässigkeit an über 1.000 Patienten. Fallberichte über die Anwendung bei Mimikfalten sind auch in der deutschsprachigen Literatur sehr zahlreich. Dies gilt in geringerem Umfang auch für die Behandlung der Analfissur, des Schwitzens und zur Schmerztherapie. Zu den selteneren Erkrankungen fehlen zwar umfangreiche Studien. Da das Medikament aber oft die beste oder nebenwirkungsärmste Therapiemöglichkeit darstellt, muss es nach gültiger Rechtssprechung als Behandlungsmöglichkeit zumindest genannt werden.